Politik mit Stil

„Dann muss Trump seinen Sessel räumen“

SPD-Außenpolitiker Christoph Matschie über die US-Wahl

Herr Matschie, die USA haben am Dienstag gewählt. Wie haben Sie persönlich die Wahlnacht erlebt?

Ich hätte mir persönlich gewünscht, dass ein deutlicheres Ergebnis zugunsten von Joe Biden zustande gekommen wäre. Gerade deshalb, weil Donald Trump als Präsident nicht nur die Spaltung der USA vertieft hat, sondern auch in internationalen Beziehung sehr viel Unheil angerichtet hat: Er ist aus Verträgen ausgestiegen und hat die Verlässlichkeit der USA in internationalen Beziehungen grundsätzlich infrage gestellt. Daher konnte ich mir schwer vorstellen, dass so viele Menschen einen solchen Präsidenten mit diesem persönlichen Verhalten wiederwählen würden. Es ist trotzdem knapp geworden und nach allem, was wir im Moment wissen, wird es am Ende wahrscheinlich für Joe Biden reichen

Also Sie sind zuversichtlich, dass es für Joe Biden reichen wird? Stand jetzt hat er 264 von 270 nötigen Wahlleutestimmen und in vielen Staaten muss noch ausgezählt werden.

Ich bin da sehr zuversichtlich! So, wie sich die Auszählungen in den noch offenen Bundesstaaten entwickeln, denke ich, dass Joe Biden am Ende die notwendigen Stimmen erhalten wird. Wir werden aber wahrscheinlich auch noch gerichtliche Auseinandersetzungen bezüglich der Wahlergebnisse in den einzelnen Bundesstaaten erleben. In einigen Bundesstaaten hat das Trump-Team bereits Klagen eingereicht. Daher ist nicht klar, wie lange es noch dauert, bis das Endergebnis endgültig feststeht.

Das ist der Punkt. Trump versucht sich mit allen möglichen Mitteln an der Macht zu halten: Er ruft sich selbst zum Sieger aus, fordert Neuauszählungen oder möchte sogar die Auszählungen abbrechen lassen. Haben sie das erwartet?

Nachdem, was wir in den letzten Wochen gesehen haben, war zu erwarten, dass Trump eine Niederlage kaum akzeptieren würde. Er hat erstens seit Wochen die Briefwahl infrage gestellt, weil er wusste, dass insbesondere demokratische Wählerinnen und Wähler dieses Instrument verstärkt nutzen – das haben auch die Auszählungen gezeigt. Zum zweiten hat Trump immer wieder gegenüber seinen Anhängern betont, dass er mit Sicherheit die Wahl gewinnen würde und bei das eine Niederlage an Wahlbetrug liegen würde. Er hat also schon seine Anhänger auf das vorbereitet, was wir in der Wahlnacht gesehen haben. Dass sich ein Präsident selbst zum Sieger ausruft, ist etwas unglaubliches und noch nie da gewesenes. Das war leider zu erwarten und tritt jetzt genauso ein.

Trotzdem: Spielen wir das mal durch. Joe Biden gewinnt die Wahl und auch juristisch ist alles abgeklärt. Trump verweigert dennoch eine friedliche Machtübergabe. Haben Sie auch diesen Gedanken, dass so etwas passieren könnte?

Wenn auch gerichtlich das Wahlergebnis abgeklärt ist und feststeht, dass Joe Biden diese Wahl gewonnen hat, dann muss Trump seinen Sessel räumen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass selbst Trump sich dann weigert, das Wahlergebnis zu akzeptieren. Es wird dann natürlich auch sehr auf seine eigene Partei ankommen. Aber das ist eine Situation, die ich mir schlechterdings nicht vorstellen kann. Wie soll er sich denn im Amt halten? Er müsste ja einen Bürgerkrieg anzetteln und das könnte ich mir nicht wirklich vorstellen.

Wir können auf der anderen Seite natürlich auch davon ausgehen, dass Donald Trump die Wahl tatsächlich gewinnt. Was würde ein erneuter Wahlsieg Trumps für die transatlantische Beziehung bedeuten?

Der Bruch zwischen Amerika und Europa würde sich vertiefen. Trump hat schon in den letzten vier Jahren eine sehr konfrontative Politik betrieben: Er hat die NATO als gemeinsames Sicherheitsbündnis infrage gestellt, er hat Strafzölle gegen europäische Produkte verhängt und auch verbal immer insbesondere die Bundesrepublik attackiert. Diese Politik würde sich mit Sicherheit fortsetzen. Trump hat keinerlei Interesse an einer guten Zusammenarbeit mit Europa gezeigt, sondern das Gegenteil. Auch das Vorankommen in der Klimapolitik würde unter einer Trump-Administration deutlich erschwert werden. Denn die USA gehören zu den Staaten mit den größten Emissionen und auch mit dem größten politischen Einfluss. Auch haben wir gesehen, dass das Vertrauen in internationale Verträge und Absprachen sinkt. Auch dieser Erosionsprozess würde sich dann weiter fortsetzen, mit der Folge, dass internationale Institutionen immer schlechter arbeiten könnten. Wir haben nicht nur den Ausstieg Trumps aus dem Klimaabkommen gesehen, sondern auch den angekündigten Ausstieg aus der WHO. Und wir sehen die Blockade der Welthandelsorganisation und die Attacken auf die Vereinten Nationen. Das würde noch größeren Schaden im internationalen System anrichten, als jetzt schon geschehen.

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