Politik mit Stil

Wahlkampf mit Turbo

Seit Wochen findet die Union aus ihrem Umfragetief nicht mehr heraus. Armin Laschet, ihr Kanzlerkandidat, stellt selbst nicht einmal die meisten eigenen Leute zufrieden. Der Wahlkampfauftakt soll nun die Trendwende einleiten.

Es ist ein friedlicher Samstag in Berlin. Die Sonne scheint, die Temperatur ist angenehm, der Tag strahlt Ruhe aus. Doch an einem Ort soll es diese Ruhe an diesem Tag nicht geben: im Berliner Tempodrom. Dort veranstalten die Unionsparteien CDU und CSU ihren Wahlkampfauftakt. Es sind noch 36 Tage bis zur Bundestagswahl, jener Wahl, die entscheiden wird, ob die Union an der Macht bleibt oder sich eine andere Regierungskonstellation findet.

Schon seit Wochen steht die CDU schlecht in den Umfragen da, Meinungsforschungsinstitute rechnen ihr nur noch rund 22 bis 25 Prozent der Stimmen zu. Von den Werten des Kanzlerkandidaten Armin Laschet ist ganz zu schweigen. Auch deswegen mahnt das CSU-Spitzenpersonal rund um den Vorsitzenden Markus Söder und Generalsekretär Markus Blume, dass man nicht im Schlafwagen das Kanzleramt gewinne. Es brauche nun einen Aufschlag, einen Energiebooster, etwas, was eine Trendumkehr schafft. Das soll ausgerechnet am Samstag des 21. Augusts im Berliner Tempodrom stattfinden – 35 Tage vor der Wahl.

In geordneter Reihenfolge erreichen die Protagonisten des Tages den Ort des Geschehens. Als erster ist – wie gewöhnlich – CSU-Chef Markus Söder da. Gemächlich steigt er aus seinem Wagen aus und lässt sich anschließend viel Zeit für Fragen von Journalistinnen und Journalisten. Es folgt Kanzlerkandidat Armin Laschet. Grinsend steigt er aus dem Auto und begrüßt freundlich alle Anwesenden. Anschließend eine Frage, eine Antwort, dann betritt er schnell das Gebäude. Zuletzt erreicht kurz vor elf die Bundeskanzlerin das Tempodrom. Gezielt steigt sie aus dem Auto aus und geht hinein. Keine Frage, keine Antwort.

Um kurz nach elf geht es dann los – und zwar richtig. Die Generalsekretäre Paul Ziemiak (CDU) und Markus Blume (CSU) betreten die Bühne. Und schon fallen Sätze des Kampfes. „Wer will, dass das Land gut regiert wird, darf keine Experimente auf dem Stimmzettel machen“, erklärt Blume. Und Ziemiak beteuert: „Es geht um Verlässlichkeit für Deutschland!“ Außerdem teilen die beiden Wahlkampfmanager deutlich gegen die anderen Parteien aus – allen voran bekommen es die Grünen ab. Es gehe nicht um eine „Politik für den veganen Studenten“, so Ziemiak. Es gehe auch nicht darum, die Menschen zu verändern. Ziemiak ruft: „Wir wollen dem Land dienen“ und legt einen drauf: „Es geht um Verlässlichkeit für Deutschland!“ Bei tosendem Applaus verlassen Ziemiak und Blume die Bühne.

Es folgen Reden, die es richtig in sich haben. Ralph Brinkhaus, Chef der CDU/CSU-Fraktion, und Alexander Dobrindt, Chef der CSU im Bundestag, betreten die Bühne. In abwechselnden Redebeiträgen loben sie die geleistete Arbeit und die enge Freundschaft beider Parteien. Doch auch die Kampfesreden kommen nicht zu kurz. Brinkhaus sagt leidenschaftlich, dass die Union im Gegensatz zu den linken Parteien, den Menschen etwas zutraue. Er fügt hinzu, dass es bei dieser Wahl „nicht nur um Inhalte, sondern auch um ein Menschenbild“ gehe. „Wir trauen den Menschen etwas zu“, donnert Brinkhaus. Dobrindt schließt seine Rede mit: „Die Wahrheit liegt in der Wahlurne am 26. September!“ Tosender Applaus.

Nun steht Angela Merkel auf, Bundeskanzlerin seit 16 Jahren und Siegerin von vier Wahlkämpfen. Gezielt steigt sie auf die Bühne, stellt sich an das Rednerpult und trinkt erstmal einen Schluck Wasser. In der Ruhe liegt ja bekanntlich die Kraft. Dann beginnt sie ihre Rede und sagt gleich zu Anfang: „Es ist richtig schön, hier dabei zu sein!“ Eigentlich wolle sie sich ja nicht mehr in den Wahlkampf einmischen, seitdem sie ihren Vorsitz 2018 abgegeben hat. Auch deswegen bevorzugt sie es vermutlich, über ihre Politik der letzten Jahre zu sprechen. Und das tut sie fast ihre ganze Rede lang. Merkel spricht über die Energiewende, die geringe Arbeitslosigkeit, die Coronapandemie. Doch am Ende findet sie doch noch einige Sätze zum Wahlkampf. „Es lohnt sich in den letzten 35 Tagen zu kämpfen“, so Merkel.

Nach Merkels Rede folgt die jenen Mannes, der sie gerne beerbt hätte: CSU-Chef Markus Söder. Gleich zu Anfang macht er klar: „Es wird sehr knapp werden in den nächsten Wochen.“ Und: „Es ist nicht die Frage, wie wir regieren, sondern ob wir regieren.“ Er möchte Druck machen. Druck auf Armin Laschet. Er macht aber auch Mut für Optimismus. „Es ist nichts verloren“, sagt er, und: „Es ist die Zeit für’s Kämpfen!“ Denn er habe „keinen Bock auf Opposition“. Auch lobt der bayerische Ministerpräsident die Arbeit von Bundeskanzlerin Merkel. Sie habe das „Land gut beschützt“ und auch er habe „wahnsinnig viel gelernt“. Söder redet lange, fast doppelt so viel wie Merkel. Erst zum Schluss kommt er so wirklich auf denjenigen zu sprechen, um den es eigentlich geht: Kanzlerkandidat Armin Laschet. Denn auch Söder weiß (auch wenn er noch immer verletzt davon ist, dass er selbst nicht die Rolle von Laschet hat): „Es kommt immer auf den Kanzlerkandidaten an!“ Und so ist es für Söder selbstverständlich, den Kanzlerkandidaten in Schutz zu nehmen. Es lohne sich zu kämpfen. „Lasst uns Zähne zeigen – wir haben schöne“, erklärt er. Zum Schluss sagt Söder: „Lasst uns zeigen, was wir können. Geschlossen und entschlossen für Armin Laschet. Wir wollen gemeinsam erfolgreich sein!“

Damit könnte die Veranstaltung eigentlich schon vorbei sein. Wenn nur nicht noch die Rede der Hauptperson, Armin Laschet, fehlen würde. Er wird von der Moderatorin angekündigt und erscheint aus dem Hintergrund. Anscheinend reißen sich die Anwesenden Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer zusammen. Sie begrüßen den Kanzlerkandidaten mit lautem Applaus, selbst einzelne Pfiffe sind zu hören. Laschet beginnt seine Rede. Es wird leise. Staatsmännisch spricht er zunächst über die Lage in Afghanistan, meint, es müsse geholfen werden. Und er verspricht: „Es wird kein Weiter-so in der Außen- und Sicherheitspolitik geben!“ Doch schon bald fängt er an, gegen sie politischen Wettbewerber zu schießen. Gegen die SPD, die nicht nur einen Olaf Scholz habe, sondern dahinter sehr linke Gesichter, wie Saskia Esken oder Kevin Kühnert. Er teilt aber auch gegen die politischen Ränder aus. „Wir werden mit den Linken nicht koalieren – aus inhaltlichen Gründen“, erklärt der Kanzlerkandidat. Doch mit der AfD würde nicht einmal geredet. Laschet verstärkt: „Wir wollen mit den Parteien der demokratischen Mitte koalieren!“

Laschet wurde in den vergangenen Monaten immer für seine Unkonkretheit kritisiert – auch und gerade in seiner eigenen Partei. Deswegen macht er nun ein klares Versprechen. „Ich werde als Bundeskanzler in den ersten 100 Tagen Planungsbeschleunigungs-Pakete auf den Weg bringen“, so Laschet. Damit sollen Vorhaben schneller in die Umsetzung gebracht werden.

Zum Schluss wird der Kanzlerkandidat noch einmal so richtig leidenschaftlich. „Wir werden kämpfen, ich werde kämpfen mit allem, was ich kann“, so Laschet. Denn: „Es ist fundamental, wer regiert!“

Fünf Wochen sind also noch bis zur Bundestagswahl geblieben. Fünf Wochen, bis sich entscheiden wird, wer diese Wahl gewinnt. Oder auch nicht. Denn neusten Umfragen zufolge, ist ein eindeutiger Sieger bei dieser Bundestagswahl gar nicht unwahrscheinlich. Noch am Sonntag erreichte die SPD, genauso wie die Union, 22 Prozent in einer INSA-Umfrage. Damit ist alles offen und es wird umso mehr auf die kleineren Parteien ankommen. Doch bis zur Wahl sind es noch einige Tage. Tage, die noch vieles verändern können. Denn Laschet und die Union visieren 30 Prozent plus X an. Das wird wohl noch ein steiniger Weg sein.

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